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Brief Erhard Weigels an das Corpus Evangelicorum, 10./20. Januar 1699

Laufende Nr. im Briefwechselverzeichnis von Stefan Kratochwil: No. 200
(Der Briefwechsel von Erhard Weigel. Seite 154.)

Weigel drängte sehr auf einen Kalenderwechsel bei den Protestanten im Jahr 1699. Das lag an der Tatsache, dass die Differenz zwischen Julianischem und Gregorianischen Kalender im Februar 1700 auf 11 Tage anwuchs. Da 1700 im Julianischen Kalender ein Schaltjahr im Gregorianischen Kalender jedoch ein Gemeinjahr ist, entsprach der 18. Febrauar 1700 im Julianischen Kalender dem 28. Februar Gregorianisch, der 19. Febrauar aber dem 1. März. Bis zum 18. Febrauar 1700 nach Julianischem Kalender betrug die Differenz zwischen dem Julianischen und dem Gregorianischen Kalender 10 Tage, am darauffolgenden Tag erhöhte sie sich auf 11 Tage.

Aus seinem im Folgenden vollständig wiedergegebenen Brief vom 10. Januar 1699 an das Corpus Evangelicorum, die Vertretung der evangelischen Reichsstände am Immerwährenden Reichstag in Regensburg, geht hervor, dass die Reform 1699 wohl nicht mehr umgesetzt werden kann. Aus diesem Brief spricht auch seine Ungeduld. Es solle doch nun endlich zu einer formalen Beschlussfassung kommen, damit die Reform im kommenden Jahr in Kraft treten könne. Schließlich wird in Bälde mit dem Druck der Kalender für das folgende Jahr begonnen.

Abermahliges Schreiben / des Professoris Weigelii zu Jena an das Evangelische Corpus zu Regensburg in dem Kalenderwesen / etc.

Des Heiligen Römischen Reichs Churfürsten/ Fürsten und Ständen Evangelischer Religion bey noch währender Reichs-Versammlung hochansehnliche Herren Räthe/ Bottschafften und Gesandte.

Hoch- und Wohlgebohrne/ Hoch-Edelgebohrne Hoch-Edelgestrenge/ Wohl-Edle/ Veste/ Hochgeehrte und Hochweise gnädig-Großgünstige Hochgeehrte Herren.

Obwohlen Euer Excell. und Gnaden auch meinen Großgünstigen Hochgeehrten Herren mit noch fernerer gehorsamster Recommendirung dero bereits vor einiger Zeit zu meiner Consolation und des publici mercklichen Nutzen zur Sprach gebrachten Calender-Sache beschwehrlich zufallen um so mehr anstehen solte/ als von denen meisten der Evangelischen Reichs Stände Höfen mir die vergnügliche Nachricht zugekommen/ daß das Werck seine nöthige Erledigung ohne weiteren Aufschub in Regenspurg erlangen solle/ hierzu auch die erforderliche Ordre dahin bereits gesandt worden/ so hat jedennoch das so gar nahe herrückende Ende dieses gegenwärtigen Seculi, mithin, die unvermeydlich zu erwartende Vermehrung der Zeit-differentz in beyden Stylis dieses abermahlige unterthänige Memorial mir gleichsam abgenöthiget/ weil die Nothdurfft allerdings erfordert/ daß/ da bekandter massen ein grosser Verlag der Calender im Römischen Reich geschieht/ mit deren Verfertigung vor das 1700. Jahr der würckliche Anfang anjetzo in wenig Wochen gemacht werden muß/ wodurch so dann/ falls die Conciliirung des alten und neuen Calenders erst nach Verfliessung einiger Zeit beliebt werden solte/ die Verleger in sehr grosse vergebliche Speesen gesetzt würden/ zu geschweigen/ daß so wohl gar zweyerley Calender so dann divulgiret/ und dadurch noch mehr Unordnung verursacht werden dörffte/ wann auch ausser jetzo angeführten zu BEschleunigung dieses Geschaffts unstreitig höchstdringenden Ursachen durch Verschiebung der endlichen des hochlöblichen Corporis Evangelici Resolution dieses Negocium je länger je schwerer wird/ die von ein und andern Calendariographo auch dort und da etwa so thane Vorschläg so bewand seyn/ daß sie nicht so wohl auff eine beständige Harmonie in beyden Stylis, als Zeitvereinigung de praesenti nichts austragende Kleinigkeiten/ ja wohl gar aus besonderm Absehen auff gäntzliche Hintertreibung der so lang von Hohen und Niedern hertzlich verlangten zukünfftigen Einigkeit in jetztgedachter Zeit-Rechnung abzuzielen scheinen; Der von mir gethane unthänige Vorschlag dagegen so beschaffen ist/ daß er den Haupt-Mangel des Julianischen Calenders auff einmahl hebt/ alle festa immobilia, auch/ falls der bißherige accurateste Cyclische modus, die Ostern zu finden/ dessen sich der Lilianische Calender auch bedient/ behalten wird/ gleichfalls alle festa mobilia beysammen behält/ biß etwa mit guter Weyle und sich hervor thuender bequemer Gelegenheit die
Evanglischer so wohl als Catholischer Religion zugethane Astromoi des von Kayserlicher Majestät allergnädigst concedirten Collegii Artis Consultorum sich mit zusammen gesetzten Fleiß dahin bearbeiten werden/ der gesamten Christenheit annehmliche Vorschläge zu thun/ wie das OsterFest von welchem alle beweglichen Feste dependiren/ nit mehr Cyclice, sondern Astronomicè ausgerechnet werden möge; Als ergehet hiemit nochmachlen an Eure Excell. und Gnaden auch meine Großgünstige und Hochgeehrte Herren/ mein widerholtes bewegliches auch gehorsamst und geziehmendes Bitten und Suchen/ sie geruhen grnädig und großgünstig durch einen schleunigen endlichen Schluß das Calender-Werck in die längst desidirirte Conformität zu setzen/ damit folglich durch unverzügliche publication aller Orten wo der Calender-Verlag in Schwang gehet/ solches kund gemacht/ mithin der obvermelden Confusion unn dem zu besorgenden grossen Schaden in Zeiten möglichst vorgebauet werden könne.

Hierdurch werden Euer Excell. und Gnaden auch meine Großgünstige Hoch- und Vielgeehrte Herren sich bey der gesamten Christenheit und dem Publico einen unsterblichen Nachruhm und ein unvermelckliches Meritum erwerben/ ich aber vor meine Wenigkeit werde nebens dem gesamten Collegio artis Consultorum dafür auffs höchste devincirt verbleiben/ wie ich dann nechst sehnlichen Verlangen eines erwünschten Schlusses in dieser hochwichtigen deliberation mit geziehmenden Respect verharren.

Eurer Excell. und Gnaden auch meiner Großgünstigen Hochgeehrten Herren.
Jena den 10/20. Januarii, 1699.
Unterthänig- und befliessenster Diener
Erhardus Weigelius Mathem. Senior.


Literatur