Archiv der Kategorie: Kalenderreform

Wann feiern wir Ostern?

Anlässlich der bevorstehenden Osterferien und Ostertage sei an dieser Stelle einmal etwas zum Ostertermin angemerkt, der bekanntlich als beweglicher Feiertag von Jahr zu Jahr auf verschiedene Kalendertage fallen kann, und dazu, was Ostern mit Erhard Weigel zu tun hat.

In jedem Kalender können wir Ostern zuverlässig auffinden. Selbst auf mehrere Jahre im Voraus kann man sich dazu schlau machen. Wie aber kommt das Osterdatum in unsere Kalender?

Als sicheres Hilfsmittel für die Berechnung des Osterdatums (gemeint ist dabei immer der Ostersonntag) kann der Algorithmus herangezogen werden, den der Mathematiker Carl Friedrich Gauss Anfang des neunzehnten Jahrhunderts zur Berechnung des Osterdatums entwickelt hat (hier als Arbeitsblatt ohne Formeln). Mit seiner Rechenvorschrift hat Gauss die komplexen und kompliziert anmutenden Vorgaben, die mit der Einführung des Gregorianischen Kalenders für die Berechnung des Osterdatums gemacht wurden, in einen Rechenalgorithmus umgesetzt, den man heutzutage auch einfach programmieren kann.

Unabhängig von der Gauss’schen Berechnung des Osterdatums hört und liest man oft von der rein astronomischen Vorschrift, dass der Ostersonntag auf den ersten Sonntag nach dem Frühlingsvollmond festgelegt ist. Dabei würde man davon ausgehen, dass der Frühlingsvollmond der erste Vollmond ist, der im Frühling, also nach dem Frühlingsanfang, stattfindet. Die Astronomie besagt weiter, dass der Frühlingsanfang astronomisch der Tag ist, an welchem Tag und Nacht gleich lang sind. An diesem Tag geht die Sonne am Himmel durch den sogenannten Frühlingspunkt. Dieser astronomische Frühlingsanfang kann auf einen der drei Tage 19., 20. oder 21. März fallen. Der entsprechende Tag ist auch stets in unseren Kalendern als Frühlingsanfang gekennzeichnet. Damit scheint die Sache mit dem Ostertermin also eine klare Angelegenheit zu sein. Man weiß dank der Astronomie und ihrer präzisen Daten genau, wann Frühlingsanfang ist, kann den darauf folgenden Vollmond bestimmen und schon weiß man, wann Ostern ist. Tatsächlich?

Ganz so einfach scheint es dann wohl doch nicht zu sein. Knifflig wird das Ganze beispielsweise dann, wenn Frühlingsanfang und Vollmond zeitlich nahe beieinander liegen. So haben wir für 2019 das folgende Szenario:

  • astronomischer Frühlingsanfang: Mittwoch 20. März 2019 (22:58 Uhr MEZ)
  • erster Vollmond nach Frühlingsanfang: Donnerstag 21. März 2019 (2:43 Uhr MEZ)
  • „Frühlingsvollmond“ der Osterfestrechnung: Freitag 19. April 2019 (13:12 Uhr MEZ)
  • Ostersonntag: Sonntag 21. April 2019

Diesen Ostersonntag für das Jahr 2019 erhalten wir auch mittels der Gauss’schen Rechenvorschrift. Astronomisch korrekt wäre doch aber der Sonntag nach dem 21. März 2019, also der 24. März 2019, oder? Ostern findet also nicht an seinem astronomisch „wahren“ Tag statt? Obendrein gilt der astronomisch erste Frühlingsvollmond nicht für die Osterfestrechnung.

Die Situation, dass Ostern nicht auf den astronomisch „wahren“ Termin fällt, tritt gelegentlich ein und wird gemeinhin als Osterparadoxon bezeichnet.

Wer sich nach näheren Hintergründen für diese Phänomen fragt, dem hilft vielleicht ein Blick in die Geschichte. Hier kommt nämlich auch der religiöse Hintergrund des Osterfestes mit ins Spiel. Als wesentliche Eckpunkte sollen aber lediglich das Konzil von Nicäa im Jahre 325 und die Gregorianische Kalenderreform von 1582 erwähnt werden.

Das fragliche Konzil von Nicäa war eine vom römischen Kaiser Konstantin I. im Jahre 325 in der kleinen Stadt Nicäa einberufene Bischofskonferenz, die Grundfragen des christlichen Glaubens – so auch den Termin des in der christlichen Überlieferung bedeutsamen Festes der Auferstehung Jesu Christi – behandelte. Ein „Protokoll“ der Beschlüsse dieses Konzils gibt es allem Anschein nicht, aber die Überlieferung besagt, dass dieses Konzil in Sachen Ostertermin im Jahre 325 folgendes festgelegt hat:

  • Kirchlicher Frühlingsanfang ist immer der 21. März.
  • Der Frühlingsvollmond, auch „Kirchen-Vollmond“, ist der Vollmond, der bei oder nach diesem kirchlichen Frühlingsbeginn stattfindet.
  • Ostersonntag ist am ersten Sonntag nach dem „Kirchen-Vollmond“ zu feiern.

Dreh- und Angelpunkt ist also der Frühlingsanfang, der in der kirchlichen Osterfestrechnung per-definitionem auf den 21. März gelegt ist. Der diesem kirchlichen Frühlingsanfang folgende „Kirchen-Vollmond“ kommt in der Osterfestrechnung des Gregorianischen Kalenders dem tatsächlichen astronomischen Vollmond außerordentlich nahe, aber es kann eben Abweichungen geben.

Zudem spielt es hierbei offenbar auch noch eine Rollen, um welche Uhrzeit der Vollmond genau stattfindet (und dann bzgl. welches Meridians?), da es ja direkt am 21. März 2019 dem Stichtag des Konzils von Nicäa (2:43 Uhr MEZ) einen Vollmond gab, „Kirchen-Vollmond“ aber erst der Vollmond am 19. April 2019 ist. Im Jahr 1799 hat es ebenfalls am 21. März einen Vollmond gegeben und Ostern war am 24. März 1799. Der Vollmond vom 21. März 1799 fand aber nachmittags 16:00 Uhr MEZ statt. Weitere Vollmonde am 21. März mit Ostern am darauf folgenden Sonntag gab es zum Beispiel in den Jahren 1856 oder 2008.

Der Gregorianische Kalender wurde im Jahre 1582 durch eine Verfügung des Papstes Gregor XIII. in Kraft gesetzt, um die aufgelaufene Abweichung des Julianischen Kalenders vom tatsächliches Jahreslauf der Sonne zu beheben. Mit dieser Kalenderreform wurde außerdem ein für die Osterfestrechnung maßgebliches Rechenschema eingeführt, das die astronomischen Vollmonddaten sehr gut approximiert und frühere Abweichungen auf ein historisches Minimum reduzierte. Mathematischer Kopf dieses Kalenders war der Jesuit Christoph Clavius. In Deutschland wurde der neue Kalender anfangs jedoch nur von den katholisch regierten Ländern übernommen. Die protestantischen lehnten ihn grundsätzlich ab (weil vom Papst angeordnet!). Man beachte die historisch kurz zuvor mit Luthers Thesenanschlag 1517 begonnene Reformation. Das Ganze zumindest führte zum Paradoxon einer doppelten Kalenderführung in Deutschland während des gesamten 17. Jahrhunderts. Im Zuge ständiger akademischer und theologischer Kontroversen hatte sich schließlich Erhard Weigel sowohl auf wissenschaftlichem als auch auf politischem Parkett jahrelang und bis zu seinem Tode dafür engagiert, dass endlich auch die Protestanten in Deutschland ihren Kalender dem tatsächlichen Lauf der Sonne anpassen und den neuen Kalender übernehmen. Da aber tiefe Gräben zwischen Katholiken und Protestanten eine einfache Übernahme des (katholischen) Gregorianischen Kalenders verhinderten und der neue Kalender der Protestanten nicht all zu Gregorianisch aussehen durfte – was er bzgl. des Kalendariums natürlich tat – wollte man sich in der Osterfestrechnung von den Katholiken abgrenzen. Zu dieser Zeit begann die Wissenschaft sich von der Kirche zu emanzipieren und insbesondere die aufstrebenden Naturwissenschaften entwickelten ein neues Selbstbewusstsein. In dieser naturwissenschaftlichen Aufbruchstimmung glaubten die trotzdem in ihrem Glauben tief verwurzelten Protestanten unter den Wissenschaftlern mit einer astronomisch korrekten Bestimmung des Osterdatums sogar, bessere Christen zu sein. Sie gingen überdies soweit, dass sie annahmen, die astronomischen Fakten würden sogar den Papst überzeugen können, die mit dem Gregorianischen Kalender verknüpfte formal rechnerische durch eine auf astronomischen Beobachtungsdaten basierende Bestimmung des Osterfestes abzulösen. Denn es war bereits damals, also vor mehr als dreihundert Jahren, bekannt, dass es durch die zyklische Osterfestrechnung des Gregorianischen Kalenders zu Abweichungen vom astronomisch „wahren“ Osterdatum kommen kann. Die (protestantische) Kalenderreform wurde schließlich 1700 (genau zu dem Zeitpunkt, als die Differenz zwischen beiden Kalendern von 10 auf 11 Tage angewachsen war) und tatsächlich mit einer astronomischen Osterfestrechnung basierend auf den Rudolfinischen Tafeln von Johannes Keplers realisiert. In den Jahren 1724 und 1744 fiel Ostern dann nach katholischer und evangelischer Berechnung auf zwei verschiedene Termine, was dazu führte, dass die evangelischen und katholischen Christen in Deutschland zu unterschiedlichen Terminen Ostern feierten. Auf Veranlassung Friedrichs II. (1712–1786) wurde schließlich im Jahre 1775, da Ostern 1778 wieder auf zwei verschiedene Termine zu fallen drohte, die astronomische Osterfestrechnung abgeschafft und de facto der Gregorianische Kalender endgültig – auch mit seiner Osterfestrechnung – übernommen.

Vortrag im Seniorenkolleg der Universität Jena am 30. Januar 2019

Klaus-Dieter Herbst wird im Rahmen des Seniorenkollegs der Universität Jena am 30. Januar 2019 ab 16 Uhr im Hörsaal 24, Fürstengraben 1, einen Vortrag zum Thema „Erhard Weigel und das Kalenderwesen in Jena und im Alten Reich mit Blick auf die Kalenderreform von 1700“ halten. Die Teilnahme ist ohne Anmeldung möglich und der Eintritt ist frei.

Vortragsankündigung

Georg Albrecht Hamberger (1662–1716)

Georg Albrecht Hamberger wurde am 26. November 1662 als Sohn eines evangelischen Pfarrers im fränkischen Beyerberg geboren. Nach dem Besuch der Fürstenschule Heilsbronn und Studienbeginn an der Universität Altdorf schrieb Hamberger sich am 26. April 1684 an der Universität Jena ein, um dort sein Studium bei dem seinerzeit weithin berühmten Erhard Weigel fortzusetzen. Hamberger begann auch an der Universität Jena seine akademische Karriere. Mit Unterstützung Erhard Weigels wurde er 1694 außerordentlicher Professor und wahrscheinlich noch 1695 ordentlicher Professor, nachdem er im Frühjahr 1695 Weigels Enkelin Sophia Katharina Spitz geheiratet hatte.

Unmittelbar nach Weigels Tod übernahm es Georg Albrecht Hamberger als Nachfolger Weigels an der Universität Jena gemeinsam mit zwei weiteren Weigel-Schülern, Johannes Meyer (1651–1719) in Regensburg und Johann Christoph Sturm (1635–1703) in Altdorf, Weigels Kalenderreformbemühungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.

Literatur
Klaus-Dieter Herbst: Erhard Weigels Forschungsansatz zu meteorologischen Messungen und die Umsetzung durch Georg Albrecht Hamberger. In: Katharina Habermann, Klaus-Dieter Herbst (Hrsg.): Erhard Weigel (1625–1699) und seine Schüler. Göttingen 2016. Online, S. 189–207.
Katharina Habermann (Hrsg.): Die Kalenderbriefe des Georg Albrecht Hamberger im Kontext der Kalenderreform von 1700. Göttingen 2012. Online
Katharina Habermann: Georg Albrecht Hamberger zum 350. Geburtstag. In: Klaus-Dieter Herbst (Hrsg.): Erhard Weigel (1625–1699) und die Wissenschaften. Frankfurt am Main 2013. S. 133–150.

Brief Erhard Weigels an Gottfried Kirch, 23. Februar 1692

Laufende Nr. im Briefwechselverzeichnis von Stefan Kratochwil: No. 129
(Der Briefwechsel von Erhard Weigel. Seite 150.)

Dieser Brief wurde von Klaus-Dieter Herbst im Rahmen der Kirch-Korrespondenz publiziert. Dieser Edition inklusive der Anmerkungen sei an dieser Stelle gefolgt.

Klaus-Dieter Herbst (Hrsg.): Die Korrespondenz des Astronomen und Kalendermachers Gottfried Kirch. Band 2: Briefe 1689–1709, Brief Nr. 498, S. 130–131.

Felicissimum Progressum novae || semper Vitae.1 || Tit. Insonders ggl. Herr und werther Freundt.

Ich habe die Hoffnung zu einem Collegio Mathematico2 im Reich noch nicht fallen lassen: bescheret Gott Friede, werde ich nicht ermangln, wenn ich lebe, es nach Möglichkeit zu poussiren, und mggl. wegen des Calenders vornehmlich dazu ferner zu recommentiren.3 Mit diesem berichte ich, daß unlängst ein guter Freundt4 unter den Fuhrleuthen sehr gewünscht, und ein paar dutzend Thlr dazu gern zu spendiren sich vernehmen lassen, wenn Er eine richtige Monds Tafel haben könte, darinnen alle Tag zu sehen, wenn der Mond auff und untergehe, solche auff den Reysen zu gebrauchen, nur im Teutschland herum, und sich darnach zu richten. Nun hab ich Ihme zwar von mhhln seinen Ephemeridibus5 gesagt darinner aller Planeten Auff und untergang auff alle Tag zu finden: aber die guten Leuthen können sich in das Latein, und in so vielerley beysam, nicht richten. Mein ggl. schreibe mir seine Gedanken,6 ob nicht ein Tractätlein à part zu solchem End vor die Fuhrleuth herausgegeben werden möchte, darein sich diese Leuthe leichtlich finden könten. Ich will diesen Freund obligiren, daß Er seinen Vorschuß dazu praestiren möge, welchen ich mggl. fideliter zusenden werde, weil ich selbst zu solchen werckh nicht Zeit finde, und mhhl. ohne das diese Rechnung ordentlich zu führen pflegt. Vielleicht schickt sich, daß ein Schema dazu gefunden wird, dessen sie sich alß einer Scheiben7 die leicht zu gebrauchen bedienen könten. Vale et amare perge

Tuum || Erh Weigelium.8

Jena den 23. Febr. || 1692.

P.S. Möchte hiernechst gerne wissen, ob mggl. wie ich vernommen, sich von Leipzig wegzubegeben willens sey:9
Ich wünsche daß mhhl in diesen Landen besser accommodiret werden, und darinnen zu bleiben mehr beliebung haben möchte.

Tit. || Herrn Gottfried Kirchen || berühmten Astronomo || ggl. || in || Leipzig. || Franco!


Für die Anmerkungen siehe
Klaus-Dieter Herbst (Hrsg.): Die Korrespondenz des Astronomen und Kalendermachers Gottfried Kirch. Band 3, Seite 379.

1   „Glücklichsten Fortgang des immer neuen Lebens.“
2   Erhard Weigel beabsichtigte ein „Collegium Artis Consultorum“ zu gründen, das unter anderem für die Herausgabe eines für alle deutschen Länder einheitlichen neuen Kalenders verantwortlich sein sollte. Siehe Hamel, 1999.
3   Zu Kirchs Rolle in den Plänen von Weigel siehe Herbst, 2002, S. 146–149.
4   Nicht ermittelt.
5   Kirch, G.: Annus I. [–XII.] Ephimeridum Motuum Coelestium 1681 [–1692], 1682 [–1691].
6   Ein Antwortschreiben von Kirch ist nicht bekannt. Obwohl es sehr wahrscheinlich ist, daß Kirch auf diesen Brief mit einem Schreiben an Weigel reagiert hat, wird kein weiteres Schreiben in das chronologische Briefverzeichnis aufgenommen, da keine Notiz dazu vorliegt.
7   Vom Prinzip her würde es sich dabei um eine drehbare Stern- bzw. Mondkarte handeln. Eine dem ähnliche Karte veröffentlichte Kirch bereits 1681 als „Stern=Uhrlein“. Siehe Kirch, G.: Europaeischer Wandersmann, 1681, S. 213.
8   „Lebe wohl und fahre fort zu lieben Deinen Erhard Weigel.“
9   Kirch sah sich als Pietist in Leipzig Anfeindungen ausgesetzt, weshalb er von Leipzig wegziehen wollte. Im Oktober 1692 siedelte er in seine Geburtsstadt Guben über.


Literatur

  • Jürgen Hamel: Erhard Weigel und die Kalenderreform des Jahres 1700. In: Reinhard E. Schielicke, Klaus-Dieter Herbst, Stefan Kratochwil (Hrsg.): Erhard Weigel – 1625 bis 1699. Barocker Erzvater der deutschen Frühaufklärung. Thun und Frankfurt am Main 1999. (Online) S. 135–156.
  • Klaus-Dieter Herbst: Der Societätsgedanke bei Gottfried Kirch (1639-1710) unter Einbeziehung seiner Korrespondenz und Kalender. In: Beiträge zur Astronomiegeschichte. Frankfurt am Main, Band 5, S. 115–151.
  • Gottfried Kirch: Annus … Ephemeridum Motuum Coelestium Ad Annum Aerae Christianae … Leipzig 1681. VD17 39:119638Q, Digitalisat

Brief Erhard Weigels an das Corpus Evangelicorum, 10./20. Januar 1699

Laufende Nr. im Briefwechselverzeichnis von Stefan Kratochwil: No. 200
(Der Briefwechsel von Erhard Weigel. Seite 154.)

Weigel drängte sehr auf einen Kalenderwechsel bei den Protestanten im Jahr 1699. Das lag an der Tatsache, dass die Differenz zwischen Julianischem und Gregorianischen Kalender im Februar 1700 auf 11 Tage anwuchs. Da 1700 im Julianischen Kalender ein Schaltjahr im Gregorianischen Kalender jedoch ein Gemeinjahr ist, entsprach der 18. Febrauar 1700 im Julianischen Kalender dem 28. Februar Gregorianisch, der 19. Febrauar aber dem 1. März. Bis zum 18. Febrauar 1700 nach Julianischem Kalender betrug die Differenz zwischen dem Julianischen und dem Gregorianischen Kalender 10 Tage, am darauffolgenden Tag erhöhte sie sich auf 11 Tage.

Aus seinem im Folgenden vollständig wiedergegebenen Brief vom 10. Januar 1699 an das Corpus Evangelicorum, die Vertretung der evangelischen Reichsstände am Immerwährenden Reichstag in Regensburg, geht hervor, dass die Reform 1699 wohl nicht mehr umgesetzt werden kann. Aus diesem Brief spricht auch seine Ungeduld. Es solle doch nun endlich zu einer formalen Beschlussfassung kommen, damit die Reform im kommenden Jahr in Kraft treten könne. Schließlich wird in Bälde mit dem Druck der Kalender für das folgende Jahr begonnen.

Abermahliges Schreiben / des Professoris Weigelii zu Jena an das Evangelische Corpus zu Regensburg in dem Kalenderwesen / etc.

Des Heiligen Römischen Reichs Churfürsten/ Fürsten und Ständen Evangelischer Religion bey noch währender Reichs-Versammlung hochansehnliche Herren Räthe/ Bottschafften und Gesandte.

Hoch- und Wohlgebohrne/ Hoch-Edelgebohrne Hoch-Edelgestrenge/ Wohl-Edle/ Veste/ Hochgeehrte und Hochweise gnädig-Großgünstige Hochgeehrte Herren.

Obwohlen Euer Excell. und Gnaden auch meinen Großgünstigen Hochgeehrten Herren mit noch fernerer gehorsamster Recommendirung dero bereits vor einiger Zeit zu meiner Consolation und des publici mercklichen Nutzen zur Sprach gebrachten Calender-Sache beschwehrlich zufallen um so mehr anstehen solte/ als von denen meisten der Evangelischen Reichs Stände Höfen mir die vergnügliche Nachricht zugekommen/ daß das Werck seine nöthige Erledigung ohne weiteren Aufschub in Regenspurg erlangen solle/ hierzu auch die erforderliche Ordre dahin bereits gesandt worden/ so hat jedennoch das so gar nahe herrückende Ende dieses gegenwärtigen Seculi, mithin, die unvermeydlich zu erwartende Vermehrung der Zeit-differentz in beyden Stylis dieses abermahlige unterthänige Memorial mir gleichsam abgenöthiget/ weil die Nothdurfft allerdings erfordert/ daß/ da bekandter massen ein grosser Verlag der Calender im Römischen Reich geschieht/ mit deren Verfertigung vor das 1700. Jahr der würckliche Anfang anjetzo in wenig Wochen gemacht werden muß/ wodurch so dann/ falls die Conciliirung des alten und neuen Calenders erst nach Verfliessung einiger Zeit beliebt werden solte/ die Verleger in sehr grosse vergebliche Speesen gesetzt würden/ zu geschweigen/ daß so wohl gar zweyerley Calender so dann divulgiret/ und dadurch noch mehr Unordnung verursacht werden dörffte/ wann auch ausser jetzo angeführten zu BEschleunigung dieses Geschaffts unstreitig höchstdringenden Ursachen durch Verschiebung der endlichen des hochlöblichen Corporis Evangelici Resolution dieses Negocium je länger je schwerer wird/ die von ein und andern Calendariographo auch dort und da etwa so thane Vorschläg so bewand seyn/ daß sie nicht so wohl auff eine beständige Harmonie in beyden Stylis, als Zeitvereinigung de praesenti nichts austragende Kleinigkeiten/ ja wohl gar aus besonderm Absehen auff gäntzliche Hintertreibung der so lang von Hohen und Niedern hertzlich verlangten zukünfftigen Einigkeit in jetztgedachter Zeit-Rechnung abzuzielen scheinen; Der von mir gethane unthänige Vorschlag dagegen so beschaffen ist/ daß er den Haupt-Mangel des Julianischen Calenders auff einmahl hebt/ alle festa immobilia, auch/ falls der bißherige accurateste Cyclische modus, die Ostern zu finden/ dessen sich der Lilianische Calender auch bedient/ behalten wird/ gleichfalls alle festa mobilia beysammen behält/ biß etwa mit guter Weyle und sich hervor thuender bequemer Gelegenheit die
Evanglischer so wohl als Catholischer Religion zugethane Astromoi des von Kayserlicher Majestät allergnädigst concedirten Collegii Artis Consultorum sich mit zusammen gesetzten Fleiß dahin bearbeiten werden/ der gesamten Christenheit annehmliche Vorschläge zu thun/ wie das OsterFest von welchem alle beweglichen Feste dependiren/ nit mehr Cyclice, sondern Astronomicè ausgerechnet werden möge; Als ergehet hiemit nochmachlen an Eure Excell. und Gnaden auch meine Großgünstige und Hochgeehrte Herren/ mein widerholtes bewegliches auch gehorsamst und geziehmendes Bitten und Suchen/ sie geruhen grnädig und großgünstig durch einen schleunigen endlichen Schluß das Calender-Werck in die längst desidirirte Conformität zu setzen/ damit folglich durch unverzügliche publication aller Orten wo der Calender-Verlag in Schwang gehet/ solches kund gemacht/ mithin der obvermelden Confusion unn dem zu besorgenden grossen Schaden in Zeiten möglichst vorgebauet werden könne.

Hierdurch werden Euer Excell. und Gnaden auch meine Großgünstige Hoch- und Vielgeehrte Herren sich bey der gesamten Christenheit und dem Publico einen unsterblichen Nachruhm und ein unvermelckliches Meritum erwerben/ ich aber vor meine Wenigkeit werde nebens dem gesamten Collegio artis Consultorum dafür auffs höchste devincirt verbleiben/ wie ich dann nechst sehnlichen Verlangen eines erwünschten Schlusses in dieser hochwichtigen deliberation mit geziehmenden Respect verharren.

Eurer Excell. und Gnaden auch meiner Großgünstigen Hochgeehrten Herren.
Jena den 10/20. Januarii, 1699.
Unterthänig- und befliessenster Diener
Erhardus Weigelius Mathem. Senior.


Literatur

Johannes Meyer (1651–1719)

Johannes Meyer wurde am 24.12.1651 im böhmischen Graslitz, heute Kraslice, geboren. Ab 1676 studierte er an der Universität Jena insbesondere bei Weigel. In der Matrikel der Universität Jena findet man erwartugsgemäß unter den Namen Meier, Meyer etc. etliche Einträge. Da es damals üblich war, an dieser Stelle den Geburtstort anzugeben, kann man als einzig relevanten schnell einen Johannes Meyer mit dem Eintrag

Greslicens. Bohem., S 1676

identifizieren (Seite 522, Matrikel der Universität Jena | Band 2). Die Angabe „Greslicens” wird im Ortsregister als Graslitz (Seite 1085), heute Kraslice (Seite 1083) aufgelöst. Weigel erwähnt Meyer in seiner „Fortsetzung des Himmels-Zeiger” zum großen Kometen von 1680/1681:

mit Hülff der … treuen und von wegen der daher empfundener HertzensLust extremè fleißigen Adjuvanten Herrn Johann Meyers von Regensburg Juris. stud. und … die eine geraume Zeit bey mir / nechst einem guten Wandel / in Mathesi eben so wohl als anderweit in andern studien sich geübet

Demnach ist Meyer vermutlich bereits vor seinem Studienbeginn in Jena nach Regensburg übergesiedelt. 1685 ging er von Jena zurück nach Regensburg, und zwar als Mathematik-Professor an das evangelische Gymnasium. Er war in Regensburg zugleich Vertreter Weigels am Immerwährenden Reichstag und Weigel führte ihn in der Funktion eines „Collegii Secretarius” als Mitglied des von ihm geplanten Collegium Artis Consultorum.

Nach Weigels Tod im März 1699 übernahm es Johannes Meyer gemeinsam mit Georg Albrecht Hamberger (1662–1716) und Johann Christoph Sturm (1635–1703), die von Weigel initiierte Kalenderreform zum Abschluss zu führen. Gottfried Wilhelm Leibniz (1646–1716) bezeichnete dieses Trio in seinen Briefen als ‚Triumviri‘ in Sachen Kalenderreform und brachte dessen Aktivitäten großes Interesse entgegen.

Meyer war mit Sabina Katharina Lederer verheiratet, von beiden hingen (zumindest im 19. Jahrhundert) Portraits im Regensburger Rathaus (vgl. Nr. 16 & 17 auf Seite 46 in Zerzog’s Beschreibung des Rathhauses zu Regensburg).

Meyer verstarb am 10.7.1719. Eine Sammlung von Abhandlungen und Briefen zur Kalenderreform von 1700 und zu dem von Weigel geplanten Collegium Artis Consultorum wird an der Nds. Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen aufbewahrt.